16.10.2024
In Teil 2 unseres dreiteiligen News-Special mit renommierten Experten für gynäkologische Onkologie beantwortet Dr. med. Axel Valet wichtige Fragen zum Trophoblasttumor.
Unser Experte zum Thema Trophoblasttumor: Dr. med. Axel Valet (Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Medikamentöse Tumortherapie, ambulante Operationen), Frauenklinik Dill Kliniken, Herbron.
Entstehung
Welche Ursachen und Risikofaktoren können in Bezug auf die Erkrankung identifiziert werden?
Trophoblasttumoren (gestationsbedingte Trophoblasterkrankungen, GTD) sind in Europa und in den USA relativ selten. In Asien findet sich eine deutlich erhöhte Inzidenz (zweifach höher, bei bislang unklarer Ursache). Bei Frauen jenseits des 40. Lebensjahres und bei sehr jungen Frauen (bis 19 Jahre) findet sich eine deutliche Zunahme der Inzidenz.
Auch die klinischen Verläufe zeigen ethnische Unterschiede: Asiatinnen benötigen signifikant mehr Chemotherapiezyklen als kaukasische oder afroamerikanische Patientinnen und benötigen ebenfalls signifikant häufiger eine Zweitlinienchemotherapie.
Als Ursache diskutiert man seit Jahren Veränderungen im väterlichen Genom bzw. eine unklare Störung der Gametogenese, wobei eine eigentliche genetische Disposition bislang unbekannt ist. Es handelt sich um eine frühzeitige Entwicklungsstörung der Frucht. Die GTD sind sowohl zytogenetisch als auch klinisch eine sehr heterogene Erkrankung, gekennzeichnet durch Fehldifferenzierungen und Proliferation des Trophoblastepithels. Können Chorionzotten (lat. Villi) nachgewiesen werden sprechen wir von villösen GTD, falls diese fehlen von nicht villösen GTD. Diese können sowohl benigne als auch maligne Formen aufweisen.
Bedingt durch diffizile morphologische Unterschiede stellt die Differentialdiagnose der unterschiedlichen GTD hohe Ansprüche an den Pathologen. Dieser führt daher zur weiteren Eingrenzung der Diagnose, da dies enorme therapeutische Konsequenzen bedingt, zusätzliche immunhistologische oder molekularpathologische Untersuchungen durch. Bei unklaren Situationen ist eine referenzpathologische Untersuchung zu empfehlen.
Inzidenz der GTD bei Kaukasierinnen | |
---|---|
Blasenmole | 1/591 Schwangerschaften |
GTD | 1/714 Lebendgeburten |
Bei der Sonderform der familiären, wiederholt auftretenden kompletten Blasenmole ist ein Gendefekt auf Chromosom 19q13.4 bekannt. Bei betroffenen Familien gehen leider die meisten Schwangerschaften (74 %) mit einer Mole einher.
Was macht diese Krankheit so gefährlich?
Zum einen ist eine Diagnose aufgrund der unspezifischen Beschwerden (zumeist Blutungsstörungen, vergrößerter Uterus) bisweilen nicht einfach, zum anderen sind Trophoblasterkrankungen sehr unterschiedlich und müssen entsprechend ihrer exakten histologischen und immunhistologischen Untersuchung klassifiziert werden. Sie treten bisweilen erst Jahre nach der Schwangerschaft auf (bis zu 18 Jahre Latenzzeit sind bekannt, sehr selten sogar erst in der Postmenopause auftretend), dabei ist es bei manchen Arten der Trophoblasterkrankungen unerheblich, ob es sich um einen Abort oder eine ausgetragene Schwangerschaft handelt. Trophoblasterkrankungen wurden sogar nach einer Extrauteringravidität beschrieben. Somit gibt es kein spezifisches Risikoprofil für Patientinnen, mit Ausnahme der familiär auftretenden Blasenmole.
Je nach Stadium liegt die 10-Jahres-Überlebensrate unter 50 %! Eine lange Latenzzeit bis zum Auftreten der GTD stellt ein prognostisch ungünstiges Kriterium dar. In einer retrospektiven Studie verstarben alle Frauen mit Plazentabetttumor, wenn er erst ≥ 48 Monate nach der Schwangerschaft diagnostiziert wurde.
Die Blasenmole wird meist anhand einer gestörten Schwangerschaft schon früh anhand des sonographischen Bildes in Zusammenhang mit sehr hohen serologischen hCG-Werten auffällig. Die hohen hCG-Werte sind wohl auch für die vermehrte Schwangerschaftsübelkeit (Hyperemesis gravidarum) mit Erbrechen bei diesen Patientinnen verantwortlich.
Trophoblasterkrankungen nach Blasenmole (19–23 %) bilden häufig früh Lungenmetastasen aus. Im Falle nachgewiesener Lungenmetastasen ist auch das Risiko für Hirnmetasten erhöht. Je nach Art der GTD liegt das Mortalitätsrisiko bei bis zu 20 % (Plazentabetttumor).
Behandlung
Wie liegen die Heilungschancen?
Die Prognose ist sehr unterschiedlich, abhängig von der Art der Trophoblasterkrankung. Zur Therapie reichen manchmal eine Re-Curettage aus (der Erfolg wird anhand serieller hCG-Messungen erfasst), bisweilen muss eine Hysterektomie erfolgen. Im Falle eines Chorionkarzinomes wird aber dringend von einer primären Hysterektomie abgeraten, da es durch die Manipulation bei der Operation zur hämatogenen Aussaat, vorrangig in die Lunge, kommen kann. Wie beim Chorionkarzinom wird daher auch bei anderen GTD-Arten eine Polychemotherapie (bis zum Absinken der hCG-Titer) erforderlich. Außerdem sind die Prognose, wie auch die Therapiemaßnahmen stark vom Stadium bei Diagnosestellung abhängig, in der folgenden Tabelle beim Plazentabetttumor (PSST) dargestellt:
Prognoseeinschätzung & Indikation zur Chemotherapie bei malignen PSST | |||
---|---|---|---|
FIGO-Stadium | 10-Jahres-Überlebensrate |
Adjuvante Chemotherapie |
Art der Chemotherapie |
I | 90 % | Nein, kein Vorteil | – |
II | 52 % | Ja, innerhalb einer Woche postoperativ! |
EMA-CO-Schema EP-EMA-Schema Bei Versagen: BEP-Schema |
III/IV | 49 % | Ja, innerhalb einer Woche postoperativ! |
Um das Risiko eines Rezidives und die erforderlichen Therapieschritte besser einschätzen zu können, wurde ein spezieller FIGO-Risiko-Score (anhand Alter, vorangegangenen Schwangerschaften, hCG-Wert, Tumordurchmesser, Zahl/Lokalisation von Metastasen, vorangegangene Chemotherapie) entwickelt. Je nach definierten Scorepunkten wird dann die Art der Chemotherapie festgelegt.
Wie sehen Therapiemethoden aus?
Während die Therapie früher häufig nur in operativen Maßnahmen bestand, haben sich in den letzten Jahren zunehmend spezielle chemotherapeutische Therapie und Strahlentherapien etabliert, die die Prognose der Mortalität deutlich verbessert haben. Wurde früher ein GTD mit Hirnmetasten praktisch nicht über 12 Monate überlebt, liegt die 5-Jahres-Überlebensrate nach einer kombinierten EMA-CO-Chemotherapie nun bei 71 %. Bisweilen können Hirnmetasten auch lokal reseziert (Gamma-knife oder Kraniotomie) werden.
Was sind die größten Herausforderungen bei der Behandlung?
Eine große Herausforderung für die Therapieentscheidung liegt in der exakten differentialdiagnostischen Einordung der Art der Throphoblasterkrankung. Hier empfiehlt sich in uneindeutigen oder besonders schwerwiegenden Fällen die Durchführung einer referenzpathologischen Untersuchung. Wesentlich ist auch eine konsequente Nachsorge nach Abschluss der Therapie (klinische Untersuchung, vag. Sonographie, hCG-Titer-Bestimmung) um eine Rezidivsituation frühzeitig zu erfassen. Spezielle Nachsorgeempfehlungen liegen für die unterschiedlichen Trophoblast-Arten vor.
Früherkennung und Vorsorge
Welche Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen gibt es?
Jede Blutungsstörung nach einer Schwangerschaft sollte per klinischer Untersuchung, vaginaler Sonographie und serologischer ß-hCG-Bestimmung untersucht und im Falle von Auffälligkeiten per Curettage geklärt werden. Wichtig ist hierbei, dem Pathologen den Hinweis auf den Verdacht einer Throphoblasterkrankung mitzuteilen, z.B. anhand des erhöhten hCG-Titers, damit explizit danach gesucht wird.
Wie hat sich die Forschung diesbezüglich entwickelt?
Gerade durch die Einführung spezieller, auf die Trophoblast-Art abgestimmte, Chemotherapie-Kombinations-Empfehlungen konnte die Prognose deutlich verbessert werden.
Zukunft
Welche Chancen sehen Sie für die Zukunft?
In den letzten Jahren hat sich durch die differentialdiagnostische Einteilung der Trophoblasterkrankungen viel in der prognostischen Einschätzung, vor allem aber in der unterschiedlichen Therapieintensität verändert. Forschungsansätze sind durch die Seltenheit der Entität erschwert. Durch die Erfassung in Krebsregistern und die konsequente Behandlung im Rahmen von interdisziplinären Tumorboards sowie die Etablierung von pathologischen Instituten, die als Referenzpathologien fungieren, wird das seltene Krankheitsbild der Trophoblasttumore mehr ins Bewusstsein gerückt und Entscheidungen – basierend auf internationalen Standards – etabliert. Gerade bei Patientinnen, die eine Chemotherapieresistenz im Laufe der Therapie entwickeln, kann die Einführung einer Immuntherapie Hoffnung auf eine weiteren Therapieoption geben.
Was wird sich Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren verändern?
Ob durch die Einführung einer KI die differentialdiagnostische Einteilung und pathologische Untersuchung, und damit die Einleitung einer spezifischen Therapie verbessert werden kann, bleibt abzuwarten. Mit der serologischen Bestimmung von hCG und bisweilen HPL (humanes Plazentalactogen) können sowohl der Therapieerfolg als auch eine eventuelle Rezidivsituation erfasst werden, weitere serologische Indikatoren wären wünschenswert.
Quelle: Dieser Beitrag erschien gekürzt in der Publikation Frauengesundheit und Onkologie (Oktober 2024).