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Experteninterview: Gebärmutterhalskrebs und neue Therapiemöglichkeiten

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18.10.2024

Im letzten Teil unseres dreiteiligen News-Special mit renommierten Experten für gynäkologische Onkologie beantwortet Prof. Dr. med. Michael Eichbaum wichtige Fragen rund um Gebärmutterhalskrebs.

Unser Experte zum Thema Gebärmutterhalskrebs: Prof. Dr. med. Michael Eichbaum (Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Schwerpunkt Gynäkologische Onkologie, Schwerpunkt Spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin, Medikamentöse Tumortherapie, Palliativmedizin, Gynäkologische Exfoliativ-Zytologie, Kolposkopie-Diplom, Senior-Mamma-Operateur, MIC II-zertifizierter Endoskopische Operateur (AGE), Zertifizierter Konsolenchirurg, Qualifikation fachgebundene genetische Beratung), , Direktor der Frauenklinik der Helios Dr. Horst-Schmidt-Kliniken Wiesbaden.

Entstehung

Welche Ursachen und Risikofaktoren können in Bezug auf die Erkrankung identifiziert werden?

Die Hauptursache für die Entstehung von Gebärmutterhalskrebs besteht in einer persistierenden genitalen Infektion mit humanen Papillomaviren (HPV). Es existieren ca. 200 Subtypen dieser Viren, von denen nur ein Teil krebserregend ist, die sogenannten High-Risk-Typen. So sind z.B. die HPV-Subtypen 16 und 18 in 70 % der Fälle mit einem Gebärmutterhals­krebs vergesellschaftet. Die Virusinfektion an sich ist in der Regel klinisch stumm und in der Bevölkerung weit verbreitet. Etwa 80–90 % aller Menschen erfahren im Laufe des Lebens eine in aller Regel vorübergehend auftretende Infektion. Die Übertragung erfolgt in den meisten Fälle auf sexuellem Weg und befällt lokal die ano-genitale Haut. Nach wenigen Jahren eliminiert normalerweise das kompetente Immunsystem die Virus­infektion wieder.

Risiken für eine Persistenz des Virus und damit für eine drohende maligne Transformation des infizierten Gewebes können sich aus einer Immunsuppression, Nikotinabusus oder Stress ergeben. Eine prophylaktische HPV-Impfung kann zudem helfen, eine primäre Infektion mit HPV-Subtypen der High-Risk-Gruppe zu vermeiden, die mit etwa 90 % aller Gebärmutterhals­krebs­erkrankungen in Verbindung gebracht werden können.

Was macht diese Krankheit so gefährlich?

Gebärmutterhals­krebs ist besonders gefährlich, weil er in frühen Stadien oft asymptomatisch ist und somit unbemerkt bleiben kann. Sobald Symptome wie abnormale Blutungen, Schmerzen oder Ausfluss auftreten, befindet sich die Krankheit häufig in einem fortgeschrittenen Stadium. Ein fortgeschrittener Gebärmutterhals­krebs kann sich auf benachbarte Organe ausbreiten und metastasieren, was die Behandlung erschwert, und die Heilungs­chancen senkt.

Behandlung

Wie liegen die Heilungschancen?

Die Heilungs­chancen bei Gebärmutterhalskrebs hängen stark vom Stadium der Diagnose ab. Frühe Stadien (Stadium I und II) haben eine gute Prognose, mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von bis zu 90 %. In fortgeschrittenen Stadien (Stadium III und IV) sinkt die Überlebensrate erheblich. Die Gefahr eines Rezidivs besteht vor allem in den ersten zwei Jahren nach der Behandlung.

Gebärmutterhalskrebs entwickelt sich aus einer persistierenden HPV-Infektion heraus über Vorstufen hinweg bis hin zum invasiven Karzinom.  Diese Vorstufen (Dysplasien) können in aller Regel im Rahmen der frauenärztlichen Krebsvorsorge­untersuchung rechtzeitig erkannt und schonend behandelt werden, bevor eine definitive Krebserkrankung ausgebrochen ist. Das setzt allerdings voraus, dass die angebotene Krebsvorsorge auch wahrgenommen wird.

Wie sehen Therapiemethoden aus?

Die Behandlung von Gebärmutterhalskrebs umfasst chirurgische Eingriffe (z.B. Konisation, Hysterektomie, radikale Hysterektomie (früher Wertheimsche Radikaloperation)), Strahlentherapie und medikamentöse Therapie. In frühen Stadien wird oft eine Operation durchgeführt, um den Tumor vollständig zu entfernen. In späteren Stadien kommen meistens eine kombinierte Radiochemotherapie oder rein medikamentöse Therapien zum Einsatz.

 

Fortschritte in der Bildgebung und in der minimal-invasiven Chirurgie (Lymphknotenstaging, Sentinel-Technik) haben die diagnostischen Möglichkeiten verbessert. In fortgeschrittenen Stadien führen effektivere kombinierte Behandlungsregime zu besseren Ergebnissen und reduzierten Nebenwirkungen. Neue medikamentöse Ansätze wie die Immuntherapie oder Therapien mit sogenannten Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten haben geholfen, auch die Prognose von Patientinnen mit fortgeschrittenen Erkrankungen zu verbessern.

Was sind die größten Herausforderungen bei der Behandlung?

Die größte Herausforderung liegt darin, in der Bevölkerung ein Bewusstsein für eine konsequente Wahrnehmung von Krebsvorsorge und prophylaktischen Impfungen zu erreichen und hochzuhalten. Mathematische Modellrechnungen lassen erwarten, dass mittelfristig eine komplette Elimination dieser Krebserkrankung zu erreichen ist, wenn bei Mädchen und Jungen eine Impfquote von >90 % erreicht wird und wenn die frauenärztliche Krebsvorsorge konsequent durchgeführt wird.

Für die Fälle, bei denen es trotz aller Präventionsmaßnahmen gegenwärtig noch zum Ausbruch einer Krebserkrankung kommt, geht es zukünftig um die Frage, inwieweit eine abgestufte chirurgische Radikalität oder minimal-invasive Verfahren in bestimmten Situationen mit gleicher Sicherheit anwendbar sind.

Im fortgeschrittenen Stadium müssen die bisherigen Erfolge in der Verbesserung der medikamentösen Therapie weiterentwickelt werden. Da der Gebärmutterhalskrebs eine Krankheit darstellt, die starke Zusammenhänge mit Immunphänomenen in ihrer unmittelbaren Umgebung aufweist, ruhen weitere Hoffnungen auf der Initiierung neuer immuntherapeutischer Konzepte.

Gebärmutterhalskrebs wird eine gute Heilungschance nachgesagt. Wie sieht es mit dem Kinderwunsch nach überstandener Erkrankung aus?

Der Kinderwunsch bei neu diagnostiziertem Gebärmutterhalskrebs ist ein komplexes Thema. In frühen Stadien kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Heilung auch durch organerhaltendes Operieren erzielt werden. Das bedarf aber einer sehr genauen Beratung und Therapie an einem erfahrenen Zentrum.

In fortgeschrittenen Stadien ist die Situation ungleich komplizierter und kann nur individuell beraten werden. Sollte eine Strahlentherapie erforderlich sein, kann die Fruchtbarkeit nicht erhalten werden. Bei chemotherapeutischen Behandlungen bedarf es der Einzelfalldiskussion.

In jedem Fall ist zu raten, im Rahmen der Behandlungsplanung auch die Empfehlungen bzw. die Beratung durch ein kooperierendes Kinderwunschzentrum miteinzubeziehen. In Deutschland ist dies z.B. über das sogenannte FERTIPROTECT-Netzwerk möglich.

Wie schützt die HPV-Impfung vor Gebärmutterhalskrebs? Für wen ist die HPV-Impfung sinnvoll?

Die HPV-Impfung schützt vor den häufigsten krebsauslösenden HPV-Typen – insbesondere Typen 16 und 18. Sie verhindert somit die Entstehung von Vorstufen (Dysplasien) und letztlich von Gebärmutterhalskrebs. Die Impfung wird ausnahmslos allen Kindern, Mädchen wie Jungen, im Alter von 9 bis 14 Jahren empfohlen, idealerweise vor dem ersten sexuellen Kontakt. Aber auch eine Nachholimpfung in höherem Alter oder bei Vorliegen eines positiven HPV-Tests kann sinnvoll sein und sollte in der frauenärztlichen Beratung individuell besprochen und abgewogen werden.

Österreich hat erst kürzlich das Impfalter auf 30 Jahre angehoben, ein erfreuliches Zeichen. Aus anderen Ländern mit bedeutend höheren Impfquoten als Deutschland (etwa Australien) wissen wir, dass eine flächendeckende Impfung aller im Rahmen eines organisierten Impfprogramms die Raten an Dysplasien und Gebärmutterhalskrebserkankungen deutlich senken kann.

Früherkennung und Vorsorge

Welche Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen gibt es?

Die wichtigste Prävention ist wie schon oben genannt die HPV-Impfung. Dann ist die regelmäßige Vorsorge in der gynäkologischen Praxis wichtig: ein jährlicher zytologischer (Pap-)Abstrich und der kombinierte Pap- und HPV-Test ab 35 Jahren. Der Pap-Abstrich untersucht Zellen vom Gebärmutterhals auf Veränderungen, die auf Krebs oder Krebsvorstufen (Dysplasien) hindeuten können. Der HPV-Test erkennt eine Infektion mit krebsauslösenden HPV-Typen. Regelmäßige gynäkologische Untersuchungen sind entscheidend, um Vorstufen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Wie hat sich die Forschung diesbezüglich entwickelt?

Die Forschung hat erhebliche Fortschritte in der Früherkennung gemacht. Molekulare Tests wie der HPV-Test bieten eine höhere Sensitivität als der traditionelle, klassische Pap-Abstrich allein. Neue Impfstoffe und verbesserte Impfstrategien erweitern den Schutz vor einer breiteren Palette von HPV-Typen. Zudem laufen Studien zur Entwicklung von Therapeutika gegen HPV-Infektionen und zur Verbesserung der Erkennung und Behandlung von Krebsvorstufen.

Zukunft

Welche Chancen sehen Sie für die Zukunft?

Die Zukunft bietet vielversprechende Chancen durch weiter verbesserte Impfstoffe, molekulare Diagnostik und personalisierte Therapieansätze. Künstliche Intelligenz (KI) wird eine zunehmend wichtige Rolle in der Bildgebung und Analyse von Krebs- und Dysplasiezellen spielen, was die Genauigkeit und Effizienz der Diagnostik in der Vorsorge weiter verbessern kann.

Was wird sich Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren verändern?

In den nächsten Jahren werden wir hoffentlich eine breitere Akzeptanz und Anwendung der HPV-Impfung sehen, was die Inzidenz von Gebärmutterhalskrebs weiter senken wird. Fortschritte in der genetischen und molekularen Forschung werden neue therapeutische Ansätze ermöglichen. KI-gestützte Diagnostik wird präziser und effizienter, was die Früherkennung und Behandlung verbessert. Personalisierte Medizin wird es ermöglichen, Behandlungen besser an die individuellen Bedürfnisse der Patientinnen anzupassen, was die Erfolgschancen weiter steigern wird.

Quelle: Dieser Beitrag erschien gekürzt in der Publikation Frauengesundheit und Onkologie (Oktober 2024).

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