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Experteninterview: Eierstockkrebs und neue Therapiemöglichkeiten

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14.10.2024

In einem dreiteiligen News-Special stellt Ihnen Frauenärzte im Netz drei Interviews mit renommierten Experten für gynäkologische Onkologie vor. Im ersten Interview beantwortet Prof. Dr. med. Gerhard Gebauer wichtige Fragen rund um Eierstockkrebs.

Unser Experte zum Thema Eierstockkrebs: Prof. Dr. med. Gerhard Gebauer (Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Schwerpunkt Gynäkologische Onkologie, Spezielle Operative Gynäkologie, Senior Mammaoperateur), Chefarzt Asklepios Klinik Barmbek, Hamburg.

Entstehung

Eierstockkrebs ist die zweithäufigste Erkrankung der weiblichen Geschlechtsorgane. Welche Ursachen und Risikofaktoren können in Bezug auf die Erkrankung identifiziert werden?

Warum Frauen an Eierstockkrebs erkranken, ist bis heute weitgehend unbekannt. Allerdings gibt es bei einem Teil der Patientinnen genetische Veränderungen, die das Risiko, an Brust– oder Eierstockkrebs zu erkranken, erheblich erhöhen. Bei diesen Patientinnen finden sich diese Erkrankungen typischerweise gehäuft in der Familie. Für solche Konstellationen ist eine genetische Beratung wichtig, um das individuelle Risiko der Patientin besser einschätzen können, bevor die Erkrankung möglicherweise auftritt.

Was macht diese Krankheit so gefährlich?

Eierstockkrebs ist die Krebserkrankung in der Gynäkologie mit der schlechtesten Prognose. Eine wesentliche Ursache dafür liegt darin, dass Eierstockkrebs lange Zeit keine Symptome hervorruft und dann erst in einem fortgeschrittenen Stadium mit Ausbreitung an vielen Stellen des Bauchraums erkannt werden kann. Was dann eine sehr umfangreiche und belastende Therapie erfordert.

Behandlung

Wie liegen die Heilungschancen?

Ganz entscheidend für die Behandlung von Eierstockkrebs ist die optimale Abstimmung von operativer und medikamentöser Therapie. Dennoch erleiden die meisten Patientinnen auch bei optimaler Behandlung binnen 5 Jahren einen Rückfall und bedürfen einer erneuten Therapie. Um eine solche optimale Behandlung zu gewährleisten, sollten Patientinnen grundsätzlich in einem dafür spezialisierten Zentrum behandelt werden, wie sie mit den Zertifizierten Gynäkologischen Krebszentren in Deutschland zur Verfügung stehen.

Wie sehen Therapiemethoden aus?

Der erste Schritt der Therapie besteht in aller Regel in der operativen Behandlung, bei der zum einen die Diagnose durch eine Gewebeuntersuchung gestellt werden kann und zum andern dann das gesamte Tumorgewebe im Bauchraum vollständig entfernt werden sollte. Dies gelingt in dafür spezialisierten Gynäkologischen Krebszentren in etwa 50–60 % der Fälle. An die Operation schließt sich dann eine Chemotherapie an. Als relativ neue Therapieoption wird in aller Regel danach noch eine sog. medikamentöse Erhaltungstherapie durchgeführt, die das Rückfallrisiko weiter verringern kann.

Was sind die größten Herausforderungen bei der Behandlung?

Eine Eierstockkrebserkrankung erfordert eine sehr belastende und umfangreiche Therapie. Dies gilt insbesondere für die Operation. Um alle Absiedlungen einer Eierstockkrebserkrankung im Bauchraum entfernen zu können, sind oftmals umfangreiche Eingriffe auch an Darm, Milz, Leber, Zwerchfell u.a. erforderlich. Solche komplexen operativen Maßnahmen erfordern ein sehr gut eingespieltes Team aus gynäkologischer Onkologie, Anästhesie, Intensivmedizin und Visceralchirurgie. Entscheidend ist, dass die Patientin – sobald die Diagnose einer Eierstockkrebserkrankung gestellt wird – daher in einem hierfür spezialisierten Zentrum behandelt wird, das eine solche operative Expertise sicherstellt.

Früherkennung und Vorsorge

Welche Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen gibt es?

Schon seit vielen Jahren wurde intensiv daran gearbeitet, Eierstockkrebs früher zu erkennen, um damit einerseits die Prognose zu verbessern und andererseits weniger eingreifende Therapien zu ermöglichen. Leider sind alle Studien unter Einbeziehung von Ultraschalluntersuchungen oder Tumormarkern bislang nicht erfolgreich gewesen. Daher gibt es bis heute keine geeignete Früherkennung bei Eierstockkrebs.

Zukunft

Welche Chancen sehen Sie für die Zukunft?

Mit der Einführung der sog. medikamentösen Erhaltungstherapie hat sich gerade bei Frauen mit genetisch bedingtem Eierstockkrebs eine deutliche Verbesserung der Prognose ergeben. Es fehlen uns allerdings bis heute tumorbiologische Marker, die es erlauben, die medikamentöse Therapie noch gezielter einzusetzen und diejenigen Patientinnen zu identifizieren, bei denen nach Operation Chemotherapie und Erhaltungstherapie tatsächlich noch mikroskopische Reste der Erkrankung vorhanden sind, die eine weitere Therapie erfordern würden. Zudem könnten neue molekulare Marker es zukünftig ermöglichen, Medikamente noch gezielter einzusetzen, um einerseits deren Wirksamkeit zu erhöhen und andererseits deren Nebenwirkungen zu begrenzen. Ein neuer Ansatz hierfür könnte der Einsatz sog. Antikörper-Wirkstoff-Konjugate – sein. Dies sind Medikamente, die gezielt an molekulare Strukturen von Tumorzellen binden und Zytostatika damit gezielt zu Tumorzellen bringen.

Was wird sich Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren verändern?

Auch wenn bislang keine Früherkennung für Eierstockkrebs möglich ist, so gibt es auch weiterhin Untersuchungen, die mit Hilfe neuer Marker dies Ziel verfolgen. Zudem ist zu erwarten, dass mit Hilfe von Medikamenten, die bestimmte molekulare Marker und Stoffwechselwege von Tumorzellen angreifen die Wirksamkeit der Behandlung von Eierstockkrebs sich auch künftig weiter verbessern wird.

Dieser Beitrag erschien gekürzt in der Publikation Frauengesundheit und Onkologie (Oktober 2024).

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